12. August 2021

Dietrich Bonhoeffer als Theologe

aus: image – Arbeitshilfe für Öffentlichkeitsarbeit (Bergmoser und Höller, Aachen), April 2020

An Dietrich Bonhoeffer erinnern heißt, seine Beteiligung am Widerstand gegen Hitler aus seiner tiefen Christusbeziehung heraus zu begreifen. Die Überzeugung, dass allein Gottes Ruf über sein Leben entscheiden dürfe, motivierte die Entscheidung, seine Auslandstätigkeit in London 1935 zu beenden. Auch die ihm angebotene Professur in New York im Sommer 1938 trat er nicht an, sondern kehrte in die Bekennende Kirche nach Deutschland zurück. Hier wurde er mit Rede- und Publikationsverbot belegt, im März 1940 schloss die Gestapo gewaltsam das von ihm geleitete illegale Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde/Pommern.

Die Christusbindung ist wirksam, als Bonhoeffer schon 1933 gegen das Führerprinzip öffentlich Stellung nimmt und die kirchliche Haltung zur Entrechtung der Juden 1934 scharf kritisiert. Sein starker Glaube führt ihn in den Widerstand, spricht auch aus den im Dezember 1944 an seine junge Verlobte Maria von Wedemeyer gerichteten Zeilen „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Die Christusnachfolge prägt das Freiheits-Gedicht vom Juli 1944: „Freiheit, dich suchten wir lange in Zucht und in Tat und in Leiden. Sterbend erkennen wir nun im Angesicht Gottes dich selbst.“ Diesem tiefen, in eine letzte Freiheit führenden Christusgehorsam erwachsen die Worte, die er vor seinem Tod am 9. April 1945 an Mitgefangene richtete: „Das ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens“.

Diese Impulse wirken und berühren gerade durch seinen gewaltsamen Tod. Nicht minder anregend sind frühe, weniger bekannte Schriften, etwa die 1937 aus den Erfahrungen im Finkenwalder Predigerseminar erwachsene „Nachfolge“, in der Bonhoeffer Gestalt und Kraft des christlichen Lebens entfaltet. Viele seiner Gedanken sind aktuell: Etwa die bis 1943 entstandenen, unter dem Titel „Ethik“ von Eberhard Bethge publizierten Manuskripte, in denen er die Herausforderungen christlichen Lebens in einer durch Totalitarismus, Verblendung und Krieg geprägten Zeit beschrieb: „Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos. […] Man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört.“ Was es bedeuten kann, Christsein in einem Umfeld zu leben, das Christliches gering schätzt, entleert, verlacht oder brutal bedroht, lässt sich bei Bonhoeffer studieren. Oder erfahren.

Uwe Rieske