Aus: image – Arbeitshilfe für Öffentlichkeitsarbeit des Verlags Bergmoser und Höller, Aachen – Ausgabe 11/2021
Das Beispiel des Jan Hus stand Luther und seinen Zeitgenossen lebendig vor Augen, als er im April 1521 vor den Wormser Reichstag geladen wurde. Auch den böhmischen Reformprediger Jan Hus hatte man 1414 unter Zusicherung freien Geleites zum Konzil nach Konstanz geladen. Doch wenige Wochen nach seiner Ankunft wurde er im November 1414 eingekerkert und schließlich am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Der Legende nach soll er vor seinem Tod ausgerufen haben: „Heute bratet ihr eine Gans, doch in hundert Jahren wird aus der Asche ein Schwan aufstehen.“ – Die Bezugnahme auf die „Gans“ war gegeben durch seinen Namen – „Hus“ bedeutet im Tschechischen „Gans“ – und die Anspielung auf den Schwan haben später Zeitgenossen auf Martin Luther bezogen.
Auch der Wittenberger selbst nahm 1531 in einer Randbemerkung auf Hus Bezug: „Johannes Hus hat von mir geweissagt, als er aus dem Gefängnis im Böhmerland schrieb, sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt Gans). Aber in hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören, den sollen sie leiden. Da soll es auch dabei bleiben, wenn Gott will“.
Auch für Hus war die Bibel Maßstab des Christlichen. Er kritisierte das Reliquienwesen und die Wallfahrten, namentlich aber auch den Ablass. Er forderte den Laienkelch bei der Kommunion und vom Klerus eine vorbildliche Lebensführung. Auch der Papst müsse durch sein christliches Verhalten überzeugen.
Insofern zeigt das Beispiel der beiden universitären Reformprediger, dass zwar die Verfechter von Ideen verfolgt, eingekerkert und verbrannt werden können, nicht aber ihr Beispiel und Gedankengut. Der Schwan ist ein Bildmotiv, mit dem Luther dank der Legende in Büchern, auf Wandgemälden und Bildern mannigfach dargestellt wird – auch damit wirken die Freiheitsideen der beiden nicht nur durch zwei Wassertiere verbundenen Reformatoren jahrhundertelang weiter.
Uwe Rieske